This page is only available in German.

Projekte

Die Forschungsstelle für Aramäische Studien widmet sich der Erforschung der Aramäer in ihren kulturellen, historischen, soziologischen, politischen und künstlerischen Aspekten in einem explizit universitären Rahmen. Neben den Promotionsprojekten, finanziert durch die Stiftung für Aramäische Studien, konnten externe Drittmittel zur Förderung zweier großer Projekte gewonnen werden, die die Forschungsstelle in ihrer Arbeit mit zwei Post-Doc-Stellen erweitert. Die Projekte werden auf den folgenden Seiten vorgestellt.

Promotionsprojekte

Promotionsprojekt von Zeki Bilgic

Titel: Die Verschriftlichung der aramäischen Sprache des Tur Abdins. Eine Analyse der bisherigen Versuche und ein Beitrag zum Erhalt einer im Aussterben begriffenen Sprache

Das moderne Aramäisch des Tur Abdin ist ein moderner Zweig des alten Aramäisch, das eine Geschichte von mehr als 3000 Jahre vorweisen kann. Im Laufe dieser Zeit wurden verschiedenste Sprachformen und -stufen der aramäischen Sprache aufgeschrieben; die bekannteste unter ihnen ist das Syrisch-Aramäische, das zur Sprache des syrischen Christentums wurde und bis heute in der syrischen Kirchen verwendet wird. Die heute noch verwendete Form des Aramäischen wird im aramäischen Volk in etlichen Sprachinseln gesprochen, wie die Sprache des Tur Abdin (aramäisch: Surayt), des Qalamon-Gebirge (aramäisch: siryon) und der Gegend des Urmia-Sees sowie am Tigris und in der Ninive-Ebene (aramäisch: sureṯ). Diese Sprachstufe wurde zwar von Generation zu Generation weiterhin verwendet, eine schriftliche Form hat jedoch nur das Aramäische des Urmia-Sees ausgebildet.

Der Fokus der Forschung liegt auf dem Aramäischen des Tur Abdin (surayt), welches wie die anderen Sprachformen durch Abwanderung und Vertreibung ihrer Sprecher aus ihren Heimatgebieten vom Aussterben bedroht ist. In der europäischen Diaspora ist die generationenübergreifende Sprachübertragung nicht mehr möglich, da das Aramäische als (alleinige) Muttersprache von der jeweiligen Landessprache abgelöst wird. Es gibt bereits jetzt sichtbare Verschiebungen in der Grammatik. Nur die ältere Generation hat immer noch kompetente Sprachkenntnisse, die sie aus der alten Heimat mitgenommen haben.

Trotz dieser akuten Gefahr des Aussterbens, die den Sprechern durchaus bewusst ist, wurden die bisherigen Versuche, die Sprache durch die Verschriftlichung zu beleben, von der Sprechergemeinschaft abgelehnt. Die Gründe der Ablehnung sind vielfältig, aber besonders wird die neuaramäische Sprache in Konkurrenz zur syrisch-aramäischen Kirchensprache gesehen. So wird die syrisch-aramäische Kirchensprache, die aufgrund ihrer Verwendung in der Liturgie und ihrer reichen christlichen Literatur für die Sprecher als die eigentliche, prestigeträchtige Sprache gilt, als Schriftsprache (aramäisch: kṯobonoyo) bezeichnet, während das Neuaramäische als Sprache der Bergbevölkerung (aramäisch: ṭuroyo) abgewertet wird. So wird ein Bewusstsein der Sprachgemeinschaft für den Wert und die Bedeutung der eigenen Muttersprache vermindert, gar als eine wertlose und unvollkommene Sprache gesehen.

Mit Übersetzungen von bekannten Werken der Weltliteratur ins Neuaramäische wird diesem Prozess entgegengewirkt. Es wird gezeigt, dass diese Sprache durchaus in der Lage ist, anspruchsvolle Literatur wiederzugeben. Das Neuaramäische wird aus der Alltags- und Haussprache in den Status einer modernen Schrift- und Literatursprache überführt; sie wird zu kṯobonoyo. Darüber hinaus wird durch die Veröffentlichungen eine wissenschaftlich fundierte, standardisierte Rechtschreibung hervorgehen; ein Kanon von Schreibregeln also, die die Sprecher nunmehr als Richtschnur nehmen können, um die Sprache zu schreiben.

Promotionsprojekt von Ralf Barczok (abgeschlossen)

Titel: Die Vita des Josef Busnāyā. Eine historische Quelle des Nordiraks des 10. Jahrhunderts.

In seinem Promotionsprojekt untersuchte Ralph Barczok die Vita des Josef Busnaya als Quelle für das alltägliche Leben im Nordirak (Kurdistan) des 10. Jh. Im Zentrum dieses Textes steht Josef Busnaya († 979), ein ostsyrischer Eremit und Mystiker, der in den Klöstern Rabban Hormizd und Beth Sayyare zwischen dem heutigen Dohuk und Amadiye wirkte. Der Schüler und ehemalige Sekretär des Heiligen, Johannes bar Kaldun, schrieb diese Biographie etwa zur Wende des 10. zum 11. Jh. am Ende seines Lebens. Sein Ziel war, das Beispiel und die Lehre des Heiligen den jungen Mönchen zu überliefern.

Bei der Arbeit handelt es sich um die erste größere Studie dieses aus verschiedenen Perspektiven wichtigen Textes. In ihm finden sich zahlreiche narrative Episoden und Paränesen, die die idealisierten Vorstellungen des Autors vom monastischen Leben darstellen. Gleichzeitig wird dieses Ideal durch zahlreiche Erzählungen, die das alltägliche Lebensumfeld der Mönche beschreiben, durchbrochen. So wird deutlich, dass bei scheinbar so streng geregelten Themen wie dem Tagesablauf, Fasten, Schweigen und Beten eine individuelle Gestaltung die Regel war. Auch waren die ostsyrischen Mönche entgegen der Bestimmungen in den monastischen Regelwerken sehr reisefreudig. Sie verließen das Kloster oft, nicht nur um offizielle monastische Angelegenheiten zu regeln, sondern auch, um andere Klöster und Mönche zu besuchen oder gar, um in andere Klöster überzusiedeln.

Schwieriger zu beurteilen sind Themen, die nicht im Zentrum des Interesses des Autors standen. So erwähnt er nur selten die wirtschaftliche Grundlage des Klosters oder das Verhältnis zu den Gruppen, die dem Kloster gegenüberstanden. Dies sind neben dem christlichen Gläubigen, die das Kloster als Pilger besuchten, hauptsächlich Muslime und Kurden. Obwohl zu diesen ein spannungsvolles Verhältnis herrschte, waren auch diese Gruppen selbst im Kloster als Gäste zugegen und nahmen die Hilfe der Mönche in Anspruch, so dass das Kloster als eine Begegnungsstätte von verschiedenen Kulturen und Religionen zu bezeichnen ist.

Das Ergebnis der Arbeit ist daher eine Momentaufnahme einer Zeit und Region, der allerdings durch die Natur der Quelle – ein hagiographischer, paränetischer Text mit historiographischen Zügen – Grenzen gesetzt sind.

 

Promotionsprojekt von Dominik Giesen (abgeschlossen)

Titel: Handlungsräume deutscher Diplomaten, Politiker und Militärs beim Völkermord an den Syrern im Osmanischen Reich

Das Ziel des Promotionsprojektes ist, Handlungsräume deutscher Diplomaten, Militärs und Politikern in Bezug auf den Völkermord an den Syrern im Osmanischen Reich zu erforschen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den edierten und nicht edierten deutschsprachigen Quellen. Als Kriegsverbündeter des Osmanischen Reiches existiert eine Vielzahl an diplomatischen Quellen, in denen die verschiedenen Konfessionen der syrischen Christen und die Verbrechen an ihnen genannt werden. Es gilt zu untersuchen, wie deutsche Diplomaten mit diesem Wissen umgegangen sind und welche Handlungsräume dadurch existierten. Hier ist besonders der Botschafter des Deutschen Reiches in Konstantinopel Hans von Wangenheim zu nennen, der sowohl bei der osmanischen Regierung als auch bei der Reichsregierung in Berlin zu intervenieren versuchte. Daneben existieren Quellen aus den Nachlässen einiger Politiker, die über die Verbrechen informiert waren. Dabei spielt der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger eine wichtige Rolle, der im Reichstag den Völkermord thematisierte. Aus diesem Grund sind auch die Sitzungsprotokolle der deutschen Reichsregierung von besonderem Interesse. Ziel ist, am Ende ausgehend von den genannten Quellen verschiedene Handlungsräume aufzuzeigen und die darin vorhandenen Handlungsmöglichkeiten zu analysieren.

Assoziierte Projekte

Kritische Edition der Universalchronik Bar Ebroyos

Eine der großen mittelalterlichen Chroniken, die die weltliche und kirchliche Universalgeschichte von Adam bis Kubilai Khan umfasst, wurde bis heute nicht kritisch ediert. Der Autor, Gregorius Bar Ebroyo (gest. 1286), war das Oberhaupt des östlichen Teils der syrisch-orthodoxen Kirche im heutigen Iraq. Seine Chronik ist ein gewaltiges Zeugnis für die bedeutende und multireligiöse Kultur dieser Region, die in diesen Tagen die Basis für das interreligiöse Zusammenleben zu verlieren droht. Die Chronik besteht aus einem weltlichen und einem kirchlichen Teil. Wir beantragen heute die kritische Edition und Übersetzung des weltlichen Teils einschließlich der Fortsetzungen bis 1490. Die zweite Phase, die die Edition und Übersetzung des kirchlichen Teils sowie die Einleitung und den Kommentar zum Gesamtwerk, Indices und Karten umfassen wird, wird weitere zwei Jahre beanspruchen. Ein Antrag für diese zweite Phase wird gestellt, sobald die Edition und Übersetzung des größten Teils des weltlichen Teils abgeschlossen sind. Das gesamte Werk wird von Brigham Young University Press in der Serie Eastern Christian Texts publiziert.

Dhimmis and Muslims

Im Dezember 2016 hat die Volkswagenstiftung beschlossen, ein gemeinsames Projekt der Forschungsstelle und dem Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme der Universität Stuttgart zu fördern. Das Projekt mit dem Titel Dhimmis and Muslims – Analysing Multi-religious Spaces in the Medieval Muslim World wurde in der Förderungslinie Mixed Methods in Humanities? – Support for Projects Combining and Synergizing Qualitative-Hermeneutical and Digital Aproaches eingereicht. Das gemeinsame Projekt soll systematisch die religiöse Vielfalt mittelalterlicher islamischer Städte erforschen und grafisch darstellen. Dort – anders als in den europäischen, christlich beherrschten Städten – lebten eine Vielzahl christlicher Konfessionen, Anhänger muslimischer Strömungen und Schulen, jüdische Gruppierungen sowie andere religiösen Gruppen Seite an Seite. Dennoch ist dieses multireligiöse Zusammenleben kaum erforscht. Diese Situation beruht unter anderem darauf, dass die Informationen verstreut in einer Vielzahl verschiedener Quellen in verschiedenen Sprachen vorliegen, die kaum miteinander vernetzt sind. Daher werden in diesem Projekt zunächst geographische Informationen über religiöse Gruppierungen aus den mittelalterlichen Quellen zusammengetragen. Zu weiteren Informationen besuchen Sie den verlinkten Link.